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Eine interkulturell orientierte Familienbildung

Eine interkulturell orientierte Familienbildung - ein Beitrag der Arbeiterwohlfahrt zur Weiterentwicklung des Angebotsspektrums

 

Das Ziel der Familienbildung ist es, "Familien bei der Erziehung von Kindern zu unterstützen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Erziehung mitzugestalten." (Zwischenbericht LAG Familienbildung) Das Ziel schließt Familien mit Migrationerfahrung selbstverständlich ein. Die konkreten Angebote können unzählige Formen annehmen und Familien in den unterschiedlichsten Lebenslagen ansprechen.

 

Wir stellen jedoch leider fest, dass die Themenauswahl von Familienbildungsangeboten sehr mittelschichtorientiert ist. Ein Klima der wohlwollenden Ignoranz der Lebenskompetenz von Familien mit Migrationshintergrund ist ein häufiges Phänomen bei Familienbildnern. Entsprechend gering ist auch die Teilnahme dieser Familien an den Kursen und Veranstaltungen der Familienbildung.

 

Gleichzeitig sehen wir einen erhöhten Bedarf an familienbildender Unterstützung für diese Familien. Der sechste Familienbericht der Bundesregierung bezeichnet Familien mit Migrationshintergrund als besonders betroffen von der strukturellen Rücksichtslosigkeit moderner Gesellschaften gegenüber der Familie. Hiernach muss die Stärkung der Erziehungskompetenz in diesen Familien eine besondere Bedeutung haben.

 

Aufgaben einer interkulturellen Familienbildung

Die Ziele und die Themen der Familienbildung für Migrantenfamilien dürfen sich nicht wesentlich unterscheiden von denen für deutsche Familien. Gleichwohl muss die Orientierung und Entwicklung der Angebote u.E. andere Akzente setzen, um die Familien zu erreichen und um an ihren besonderen Kompetenzen anzuknüpfen.

 

Wir betrachten folgende Richtlinien der Familienbildung als elementar für ihre interkulturelle Orientierung.

 

Migranteneltern müssen als Bildungspartner akzeptiert werden.

Eine adäquate Angebotsentwicklung setzt die Akzeptanz der Kompetenzen von  Migrantenfamilien voraus. Selbstverständlich wollen die Eltern die besten Startchancen für ihre Kinder. Der sechste Familienbericht macht auch hier deutlich, welche enorme Integrationsleistung die Familien erbringen. Durch die migrationsbedingte fehlende Sozialisation in Deutschland verfügen manche Familien jedoch nicht über das notwendige Wissen und Ressourcen, um ihren Kindern einen optimalen Start zu geben.

 

Familien müssen über die Erziehungsanforderungen in Deutschland wissen.  Sie müssen wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Eine Sensibilisierung von Familien über wichtige Erziehungs- und Familienthemen muss vorangebracht werden. Dies wird nur bedingt über die üblichen Kanäle der Volksbildung und Öffentlichkeitsarbeit gehen. Hier gilt es, neue Wege zu finden, diese Familien zu erreichen.

 

Das Familienbildungsangebot muss sich an der Lebensrealität der Familien orientieren.

Angebote, die sich nicht an bekannten Verhaltensmustern orientieren und in denen Familien keinen Sinn entdecken können, werden nicht angenommen und nicht zu den erwünschten Kompetenzerweiterungen führen. Auch der Ort der Durchführung muss Menschen und Familien mit Migrationshintergrund ansprechen.

 

Neue Zugänge müssen geschaffen werden

Die Jugendministerkonferenz 2003 fordert den Zugang zu Familien durch neue Formen und Methoden zu verbessern. Angesichts der fehlenden Erfahrung der Zielgruppe mit Familienbildung ist es erforderlich, von  den bekannten Wegen der Familienbildung abzugehen und im Dialog mit der Zielgruppe neue Wege einzuschlagen.

 

Entwicklung eines interkulturellen Familienbildungsangebots im AWO Begegnungszentrum

Das Begegnungszentrum der Arbeiterwohlfahrt LV. Berlin e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, das Thema der interkulturellen Orientierung der Familienbildung weiterzuentwickeln. Durch die Mitgliedschaft in der Landesarbeitsgemeinschaft Familienbildung des Landesjugendamtes, werden die Belange der Familien mit Migrationshintergrund in diesem beratenden Gremium hineingetragen.

 

Mit dem HIPPY Programm (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters) setzt das Begegnungszentrum des AWO Referats Jugend, Migration und Beratungsdienste die interkulturelle Orientierung der Familienbildung um. Qualifizierte Hausbesucherinnen mit Migrationshintergrund schulen Eltern mit Kindern im Alter von 4 - 5 Jahren im Umgang mit Materialien, die es den Eltern ermöglichen, täglich mit ihren Kindern ca. 15 Minuten zu spielen und zu lernen. Das überaus erfolgreiche Programm zeigt deutlich die Leistungsfähigkeit und Bereitschaft von Migrantenfamilien. Es ist unabdingbar, dass sie ernst genommen und ihnen adäquate Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden.

 

Wir verfolgen die Ziele der Familienbildung auch mit dem oben beschriebenen Projekt "Interkulturelles Zentrum für Gesundheitsförderung und Prävention". Die Förderung der Gesundheitskompetenz von Familien mit Migrationshintergrund steht im Vordergrund des Projektes.

 

Gleichzeitig steuert das Begegnungszentrum an, das Programm "Opstapje - Schritt für Schritt" in Berlin zu etablieren. Opstapje ist ein Frühförderprogramm für Familien mit Kindern im Alter von 2-3 Jahren. Es arbeitet auch mit qualifizierten Hausbesucherinnen, die die Eltern befähigen, ihre Kinder spielerisch und altersadäquat zu fördern. Erste Ergebnisse aus der Modellphase an 2 Standorten in Deutschland sind vielversprechend.

 


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